Das Reformationsdenkmal vor der Johanniskirche in Leipzig

Im Jahre 1839, wo man sich an die Einführung der Reformation vor 300 Jahren erinnerte, gab es in Leipzig erstmals den Gedanken zur Errichtung eines Reformationsdenkmals. Es wurde ein Aufruf erlassen und ein Denkmalkomitee gegründet. Es sollte ein Denkmal von hohem künstlerischen Niveau geschaffen werden. Es wurde neben Luther auch an andere Helden gedacht, die an der Einführung der Reformation in Leipzig beteiligt waren. Die Realisierung gestaltete sich jedoch in den folgenden Jahren schwierig, da nicht genügend Mittel zusammenkamen. Ab 1869 betrieb der Rat der Stadt verstärkt neben der Errichtung des Leibnizdenkmals auch die des Reformationsdenkmals. Der Dresdner Bildhauer Johannes Schilling (1828-1910) konnte 1880 endlich dafür gewonnen werden, nachdem er das Niederwalddenkmal vollendet hatte.

Die Stadt und Schilling waren bestrebt, dem Aufruf von 1839 gerecht zu werden. Es wurde beschlossen, dass Martin Luther (1483-1546) und Philipp Melanchthon (1497-1560) gemeinsam im Kontext ihres Reformationswerkes geehrt werden sollten. Bei der Platzierung der beiden Figuren wurde der Vorrang Luthers beachtet. In einem Vortrag auf einer Plenarsitzung sagte Otto Georgi: "Wenn nun aber eine von beiden Figuren sitzen muss, so kann es nur die von Luther sein, der doch immer als die Hauptperson erscheinen muss, während Melanchthon als die helfende darzustellen ist..."

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Lupe
Die Einweihung erfolgte mit großer Feierlichkeit am 10.11.1883, dem 400. Geburtstag Luthers. Das Denkmal zeigt Martin Luther, den älteren von beiden, auf einem Sessel sitzend, seinen Freund und Helfer Philipp Melanchthon neben ihm stehend, zu ihm herabgebeugt. Luther hält eine aufgeschlagene Bibel auf den Knien und blickt sinnend in die Ferne. An den vier Seiten des Sockels, der aus rotem Granit besteht, sind Reliefs und Inschriften angebracht. An der Westseite "Einführung der Reformation in Leipzig", Nordseite "Die Ausspendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt", Südseite "Kirchengesang, Taufe, Konfirmation" und Ostseite "Hausandacht, Predigt, Trauung". Das Eisenwerk Lauchhammer führte den Bronzeguß aus, den Sockel der Leipziger Steinhauermeister F.G. Damm.


Das 19. Jahrhundert war sehr historisch orientiert. Die Mittel der bildenden Künste hatte man mit viel Mühe eingesetzt um sich die historischen Ereignisse in Denkmälern zu vergegenwärtigen. Dabei war man um authentische Wiedergabe und innere Anteilnahme des Betrachters bemüht. Im Volksmund sagte man damals gelegentlich: "Komm, Martin, steh mal auf, du hast lange genug gesessen!"

Leider war es das erste Denkmal in Leipzig, daß seinen Beitrag für die Rüstungsindustrie zu liefern hatte. Am 25.2.1943 wurden die Bronzeteile des Denkmals abgebaut, nachdem es 1942 als verschrottungswürdig eingestuft wurde. Damit verlor Leipzig eines seiner bemerkenswertesten Denkmäler. Die Johanniskirche erlitt in den Jahren 1943/44 schwere Beschädigungen. Die Bach-Gellert-Gruft blieb unzerstört und wurde gesichert. 1949 wurde die Ruine abgetragen, jedoch entschied man sich ausdrücklich für die Erhaltung des barocken Turmes, dessen Mauerwerk unversehrt blieb. Er wurde schrittweise restauriert, aber schließlich 1963 in einem Akt der Willkühr gesprengt. Die Bach-Gruft wurde 1949 in aller Stille geöffnet, die Gebeine von Johann Sebastian Bach (1685-1750) wurden in die Thomaskirche überführt. Die Gebeine des Dichters Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) mußten sogar zweimal umziehen, zunächst in den Nordflügel der völlig unversehrten Universitätskirche und nach deren barbarischen Sprengung 1968 auf den Südfriedhof. Der leere Sockels des Reformationsdenkmals blieb bis zum Ende des Krieges erhalten, sein Verbleib ist noch unklar.

Literatur
Claus Uhlrich. Verschwunden. Schicksale Leipziger Denkmale, Gedenksteine und Plastiken. Leipzig: Verlagsbuchhandlung Bachmann. 1994.
Günther Wartenberg. Philip Melanchthon und Leipzig. Kustodie der Universität Leipzig. 1997.

letzte Änderung: 1.5.2000 Stefan Krämer